Zimtwolke

  • 1. Dezember 2014

    Eigentlich bin ich für meinen Beruf überhaupt nicht geeignet und wirke im Vergleich zu meinen Kollegen wie ein Fremdkörper.

    Ich bin introvertiert.
    Eigentlich müsste ich aber extrovertiert sein, also vorwiegend laut und mich im Vordergrund bewegen, mir permanent Gehör verschaffen, mich ständig aufdrängen und immer sichtbar sein.

    Ich bin kein Leader.
    Führung bedeutet, Menschen in Bewegung zu setzen. Ich finde es aber viel besser, wenn ein Mensch sich aus sich selbst heraus bewegt, anstatt durch jemand anderen bewegt zu werden.

    Ich will keine Karriere machen.
    Karriere? Ist doch saulangweilig! Ich bin zufrieden. Ich brauch kein Mehr oder Größer, ich will eigentlich nur meine Sache gut machen. Viel wichtiger ist mir das Gefühl von Familie (auch auf der Arbeit). Und Spaß! Ohne Herumalbern ist alles doof.

    Ich strahle keine Autorität aus.
    Vielmehr komme ich wie ein jugendlicher Jungspund daher (ich kann wirklich nichts dafür) und das macht mir oft Probleme, weil mich die Leute auf den ersten Blick nicht ernst nehmen (was will denn der da?).

    Ich trage selten Krawatte und Anzug.
    Quasi eigentlich nie. Ich fühle mich einfach nicht wohl damit. Vielleicht sollte ich mir endlich mal einen Anzug maßschneidern lassen. Mein Körper hat eigentlich den goldenen Schnitt (sagte mal eine Schneiderin). Problem ist nur, diesen Schnitt haben nur wenige Menschen und deswegen sehen Konfektionsanzüge an mir total erbärmlich aus.

    Ich mach mir nichts aus Statussymbolen.
    Eigenes Büro, eigener Schreibtisch, großes Auto. Interessiert mich alles nicht! Ein eigenes Büro ist einsam und wozu ein Schreibtisch, wenn mein Schreibtisch überall ist? Nur das mit dem Auto, das fühlt sich manchmal komisch an, wenn ich mit meinem kleinen Lupo zwischen all den dicken Brummern parken muss.

  • 19. November 2014

    Ich bin ein Kind der Gastronomie. Dafür haben mich früher die anderen Kinder unendlich beneidet. „Mensch, du kannst jeden Tag essen, was du willst.“

    Nun ist es bekanntlich so, dass Speisekarten schon eine gewisse Statik besitzen, was bedeutet, das grundsätzliche Angebot ist beständig. Eine gewisse Dynamik gibt es meistens nur am Rand und ist auch saisonal bedingt. Das Konzept des Tagesgerichts gab es bei uns leider nicht, weil die Gaststätte schon mal nicht jeden Tag geöffnet war.

    In der Konsequenz hat man als Mitarbeiter oder Gastronomiefamilienmitglied die Speisekarte natürlich schon gefühlte zehntausendmal hoch und runter gegessen. Tatsächlich ist dieser Sachverhalt ja noch viel gravierender, weil man die Gerichte permanent vor der Nase hat. Wenn der Gast seine Wahl trifft, kannste nicht widersprechen und sagen, Sorry, ich kann kein Wiener Schnitzel mehr sehen.

    Wenn ich heute meine Eltern am Wochenende besuche, gibt es nicht nur in der Familie, sondern auch unter dem Personal erst mal Jubelrufe: „Geil! Marco ist da! Er kann uns Essen holen! Er kann uns Essen holen!“

    Kaum zuhause angekommen, steige ich also wieder in mein Auto, fahre ein paar Dörfer weiter, zu einem größeren Dorf, welches das Privileg besitzt, einen kleinen Imbiss zu haben und kaufe Döner.

    Bild: Innerbetriebliche Bestellung beim Türken

    (so viel zu dazu, dass man in der Gastronomie jeden Tag essen kann, was man will).

  • 15. November 2014

    Damit meine Schwester außerhalb mal wieder so richtig auf den Putz hauen kann, habe ich heute Abend auf ihre Tochter aufgepasst. Lana ist zwei Jahre alt.

    Zwischen meiner Schwester und mir liegt ein großer Altersunterschied. Ich denke gerne an damals zurück, als sie auf die Welt kam. Unsere Eltern sind beide selbstständig, deswegen war ich quasi tagsüber für meine Schwester zuständig.

    Tagsüber hat sie immer in meinem Bett geschlafen, während ich am Computer endlos Spiele gezockt habe. Sie schlief vier Stunden, wachte auf, wollte die Flasche, musste kurz beschäftigt werden und schlief danach wieder vier Stunden. Und so ging das eigentlich den ganzen Tag. Ich zockte am Computer und meine Schwester schlief in meinem Bett daneben.

    Zu jener Zeit waren gerade Guns N’Roses echt angesagt und ich bin darauf voll abgefahren. Folgerichtig gehörten Axel Rose, Slash oder Duff zu den ersten Wörtern, die meine Schwester aussprechen konnte.

    In dieser Hinsicht gibt es bei Lana noch echte Defizite, wie ich heute leider festgestellt hab. Das nächste Mal muss ich ihr unbedingt ein paar wichtige Wörter wie Batman, Catwoman oder Joker beibringen.

  • 14. November 2014

    Mal davon abgesehen, dass wir natürlich global und virtuell agieren, ist der Unternehmensbereich, in dem ich arbeite, lokal über zwei Städte hinweg, weitgehend außerhalb des Campus, welcher eigentlich der Größte seiner Art ist, kleinteilig über viele Büroinseln verstreut.

    Jetzt debattiert und fordert die Belegschaft auf der guten alten Betriebsversammlung schon seit vielen Jahren ein Gebäude, in dem alle Mitarbeiter des Bereiches ihren Platz finden und zusammen sitzen können. Das war natürlich utopisch und das hat eigentlich auch jeder gewusst. Utopische Vorstellungen hat aber auch immer unser neuer Herr Bereichsleiter und deswegen wurde nun tatsächlich ein neues Bürogebäude für uns gebaut. Es passen zwar nicht alle Mitarbeiter rein, aber das sind Details und mit Details kann ja man alles kaputt machen.

    Plötzlich fand das die Belegschaft auch gar nicht mehr lustig, weil man doch anfahrtstechnisch von der anderen Seite der Stadt kommt, außerdem sind die Bürokonzepte zu modern (Cubes?!?! Flexoffice?!?! Offene Räume?!?!) und vom Campus ist der Neubau auch noch weit weg. Wie man es auch macht, es ist einfach immer verkehrt.

    Vor zwei Wochen bin ich nun in das neue Gebäude eingezogen. Zumindest formell auf dem Papier. Sachen zum Umziehen hatte ich nämlich keine. Notebook und Blackberry habe ich immer dabei und mehr brauch ich zum Arbeiten nicht (fanden die Kollegen schon seit jeher komisch). Und für das neue Gebäude war auch erst mal keine Zeit, weil ich anderweitig mit Projekten beschäftigt war.

    Prinzipiell finde ich ja, dieses Gebäude war die beste Investition des Unternehmens seit Jahrzehnten. Beinah alle Mitarbeiter an einem Ort. Allein der Effizienzgewinn durch den Wegfall der nervigen lokalen Wegstrecken. Sich kurz mit dem Kollegen abstimmen und zwar persönlich ganz ohne Chat oder Telefon, so etwas ist man schon gar nicht mehr gewohnt. Und dann ist da noch dieses altmodische Wir-Gefühl, was da auf einmal hochkommt.

    Heute hatte ich nun endlich die Zeit, mir meine neue Heimat anzusehen und auch den innerlichen Umzug zu vollziehen. Und ich musste leider unmittelbar feststellen, dass die ganze Verbesserung eigentlich schon wieder für die Katz ist. Man kann sich kaum drei Meter bewegen, trifft man irgendwelche alte/neue/nette/liebgewonnene Kollegen und nutzt natürlich die Gelegenheit, um ein bisschen rumzualbern. Da kommt man gar nicht mehr richtig zum Arbeiten.

  • 12. November 2014

    Während meiner dualen Berufsausbildung hatte ich mich ziemlich gut mit meiner damaligen Ausbilderin verstanden. Und zwar so gut, dass man teilweise schon Probleme hatte, die standesgemäße Distanz zu wahren. Meine Ausbildungsgruppe war mit 14 Azubis relativ klein. Trotzdem hatte sie mit uns richtig Arbeit, eigentlich meistens mit mir. Nicht, dass man mich hätte besonders fördern müssen, aber mit Regeln tue ich mir einfach schwer.

    Insofern war die gegenseitige Sympathie eigentlich seltsam. Ab und an waren wir auch gemeinsam aus (offiziell war das natürlich geheim). Einmal waren wir zum Martins Gans Essen im Hof meiner Eltern. Meine „Chefin“ war eigentlich an jenem Tag etwas kränklich, wollte den Abend aber auch nicht absagen. Und der Abend war auch ganz wunderbar. Nur ihre Gesichtsfarbe wurde irgendwann komisch. Mitten im Gespräch sagte sie dann, ich glaub, mir ist schlecht.

    Der nächste Satz lautete dann, ich muss mich übergeben. Da klingeln natürlich alle Alarmglocken und der Puls geht hoch, also schnell raus aus dem Bewirtungsraum, hinein in eine hintere Kammer, irgendwo einen Eimer hergeholt. Und der dritte Satz lautete schließlich, Herr Hitschler, ich wäre jetzt gerne allein…

    Wir brechen heute immer noch in schallendes Gelächter aus in Gedenken an jenen Abend, er leuchtet noch mit seiner ganzen Kraft. Die Brisanz dieser Situation wurde mir persönlich auch erst viele Jahre später bewusst. Seitdem gehen wir aber jedes Jahr zum Martins Gans Essen in den Hof meiner Eltern. Ich hab nicht viele Rituale in meinen Leben, aber das ist eines davon und ich mag es sehr.

  • 8. November 2014

    Ich mag die Region hier sehr. Trotzdem hab ich manchmal das Bedürfnis meine Sachen zu packen und wegzugehen. Wohin, das ist eigentlich egal. Jeden Tag verlasse ich meine Wohnung und beinah alle Straßen, Kreuzungen und Häuser wecken Erinnerungen, gute und schlechte. Überall lauern Geschichten, die schon lange zurück liegen, und fordern ihre Gegenwärtigkeit ein. Ich kann sie nicht abschütteln. Jeder Gedanke belegt innere Kanäle, was mich irgendwie unfrei macht. Ich vermisse unbefleckte Räume, bereit zum verschandeln.

  • 5. November 2014

    Folgende Situation durfte ich heute im Nahfeld beobachten.

    Mann: Ein Brot bitte.
    Bäcker: Geschnitten?
    Mann guckt Frau an.
    Frau zu Mann: Geschnitten.
    Mann zu Bäcker: Geschnitten!

    Das habe ich natürlich gleich vertwittert. Ein solches Sahnestück bekommt man schließlich nicht jeden Tag zugespielt.

  • 3. November 2014

    Bei mir ist aber auch echt immer alles verkehrt herum. Es wird langsam Winter, die Tage werden kürzer und das Tageslicht wird dunkler. Meine Wohnung wird dagegen heller.

    Vor meiner Wohnung steht ein Baum. Ein sehr großer Baum sogar. Mit viel Laub dran. Ganz wunderbar! Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich nur Grün und sonst nichts (mitten in der Stadt). Im Umkehrschluss kann mir niemand reinschauen, obwohl wir hier sehr eng aneinander leben. Sogar Liebe machen ist bei offenem Fenster möglich. Wenn zufällig Nacht und Regen „zusammen kommen“, einschlafen mit dem beständigen Geräusch von Regentropfen auf Blätter, unbezahlbar!

    Der Baum macht die Wohnung am Tag aber recht schattig, weil die Blätter so viel Licht wegnehmen. Jetzt im Herbst, färben sich die Blätter golden, fallen langsam ab und meine Wohnung wird jeden Tag ein bisschen heller.

  • 2. November 2014

    Das Meeting war für neun Uhr angesetzt. Mit Ausnahme meines Kollegen Tobias waren schon alle Teilnehmer anwesend. Ungefähr 5 Minuten nach 9 haben wir dann ohne Tobias angefangen.

    Tobias war nur etwa 50 Meter Luftlinie entfernt, stand vor dem Firmeneingang und stellte fest, dass er seinen Mitarbeiterausweis vergessen hatte. Dummerweise hat man die Zugangskontrolle an diesen Eingang schon vor zwei Jahren automatisiert und deswegen gab es auch keinen Pförtner. Tobias klingelte an der zentralen Rufanlage und es meldete sich der Sicherheitsdienst. Ob man ihn reinlassen könne, Ausweis vergessen und so (ich fand das schon etwas gutgläubig). Nein, das geht leider nicht. Ohne Ausweis darf niemand auf das Gelände. Er muss sich leider am Haupteingang (der noch nicht automatisiert wurde) einen Tagesausweis anfertigen lassen.

    Man kann die Strecke zum nächsten Eingang zwar auch zu Fuß laufen, ist aber schon ein gutes Stück. Also ging Tobias zurück auf den Parkplatz, stieg ins Auto, fuhr los, passierte 3 Kreuzungen, dort ins Parkhaus und über den Fußweg zum Haupteingang (der noch nicht automatisiert wurde). Dass ein Mitarbeiter den Ausweis vergisst, das passiert täglich. Der Tagesausweis ist also recht schnell gedruckt und ausgestellt. Tobias geht zurück ins Parkhaus, steigt ins Auto ein, fährt los, passiert 3 Kreuzungen, parkt, läuft zu Fuß an den Eingang, hält den Tagesausweis an den Scanner und nichts passiert.

    Wenn Tobias mich gefragt hätte, ich hätte ihm das gleich sagen können. Denn der Tagesausweis besteht letztendlich nur aus schöner Pappe. Auf dieser schönen Pappe steht der Name des Inhabers und das war’s. Die echten Mitarbeiterausweise sind dagegen richtige SmartCards mit integrierter RFID-Technologie. Nur mit denen kann man Türen öffnen.

    Also ruft Tobias wieder über die zentrale Rufanlage beim Sicherheitsdienst an. Ob man ihn reinlassen könne, hier der Tagesausweis (zeigt Tagesausweis in das Objektiv der Überwachungskamera). Antwort: Nein. Die Echtheit könne so nicht überprüft werden. Er müsse den Haupteingang rein (der noch nicht automatisiert wurde). An dieser Stelle war Tobias natürlich mental stark im Anschlag. Ich persönlich kann das zwar verstehen, muss mich aber andererseits auch wieder von seinen getroffenen inneren Annahmen distanzieren (denn so einfach funktioniert diese Welt schon lange nicht mehr).

    Nun wieder zurück auf den Parkplatz, ins Auto einsteigen, losfahren, 3 Kreuzungen passieren, dort ins Parkhaus und zu Fuß an den Haupteingang (der noch nicht automatisiert wurde) laufen. Auf dem Firmengelände angekommen, dann die ganze Strecke ausschließlich zu Fuß wieder zurücklaufen. Als Tobias dann endlich eintraf, war das Meeting leider schon vorbei.

    Tobias findet diese Geschichte bis heute nicht lustig. Ich dagegen finde die Geschichte immer wieder zum totlachen.

  • 1. November 2014

    Meine Schwester hat in ihrer Beziehung die Hosen an. Ihrem Freund gefällt das natürlich gar nicht und rebelliert dauernd dagegen an. Dieser Protest bringt selbstverständlich gar nichts, am Ende setzt sich meine Schwester durch und ihr Freund fügt sich in sein Schicksal ein.

    „Marco, man darf sich nicht gleich fügen, sondern man muss sich wehren“, sagt er manchmal zu mir, „man muss sich einfach wehren“. Ich antworte dann, „Und was bringt dir das jetzt? Am Ende hängt doch nur der Haussegen schief! Frauen haben immer Recht, das musst du einfach akzeptieren!“