14. November 2014

Mal davon abgesehen, dass wir natürlich global und virtuell agieren, ist der Unternehmensbereich, in dem ich arbeite, lokal über zwei Städte hinweg, weitgehend außerhalb des Campus, welcher eigentlich der Größte seiner Art ist, kleinteilig über viele Büroinseln verstreut.

Jetzt debattiert und fordert die Belegschaft auf der guten alten Betriebsversammlung schon seit vielen Jahren ein Gebäude, in dem alle Mitarbeiter des Bereiches ihren Platz finden und zusammen sitzen können. Das war natürlich utopisch und das hat eigentlich auch jeder gewusst. Utopische Vorstellungen hat aber auch immer unser neuer Herr Bereichsleiter und deswegen wurde nun tatsächlich ein neues Bürogebäude für uns gebaut. Es passen zwar nicht alle Mitarbeiter rein, aber das sind Details und mit Details kann ja man alles kaputt machen.

Plötzlich fand das die Belegschaft auch gar nicht mehr lustig, weil man doch anfahrtstechnisch von der anderen Seite der Stadt kommt, außerdem sind die Bürokonzepte zu modern (Cubes?!?! Flexoffice?!?! Offene Räume?!?!) und vom Campus ist der Neubau auch noch weit weg. Wie man es auch macht, es ist einfach immer verkehrt.

Vor zwei Wochen bin ich nun in das neue Gebäude eingezogen. Zumindest formell auf dem Papier. Sachen zum Umziehen hatte ich nämlich keine. Notebook und Blackberry habe ich immer dabei und mehr brauch ich zum Arbeiten nicht (fanden die Kollegen schon seit jeher komisch). Und für das neue Gebäude war auch erst mal keine Zeit, weil ich anderweitig mit Projekten beschäftigt war.

Prinzipiell finde ich ja, dieses Gebäude war die beste Investition des Unternehmens seit Jahrzehnten. Beinah alle Mitarbeiter an einem Ort. Allein der Effizienzgewinn durch den Wegfall der nervigen lokalen Wegstrecken. Sich kurz mit dem Kollegen abstimmen und zwar persönlich ganz ohne Chat oder Telefon, so etwas ist man schon gar nicht mehr gewohnt. Und dann ist da noch dieses altmodische Wir-Gefühl, was da auf einmal hochkommt.

Heute hatte ich nun endlich die Zeit, mir meine neue Heimat anzusehen und auch den innerlichen Umzug zu vollziehen. Und ich musste leider unmittelbar feststellen, dass die ganze Verbesserung eigentlich schon wieder für die Katz ist. Man kann sich kaum drei Meter bewegen, trifft man irgendwelche alte/neue/nette/liebgewonnene Kollegen und nutzt natürlich die Gelegenheit, um ein bisschen rumzualbern. Da kommt man gar nicht mehr richtig zum Arbeiten.

4. Dezember 2018

12. November 2014

Während meiner dualen Berufsausbildung hatte ich mich ziemlich gut mit meiner damaligen Ausbilderin verstanden. Und zwar so gut, dass man teilweise schon Probleme hatte, die standesgemäße Distanz zu wahren. Meine Ausbildungsgruppe war mit 14 Azubis relativ klein. Trotzdem hatte sie mit uns richtig Arbeit, eigentlich meistens mit mir. Nicht, dass man mich hätte besonders fördern müssen, aber mit Regeln tue ich mir einfach schwer.

Insofern war die gegenseitige Sympathie eigentlich seltsam. Ab und an waren wir auch gemeinsam aus (offiziell war das natürlich geheim). Einmal waren wir zum Martins Gans Essen im Hof meiner Eltern. Meine „Chefin“ war eigentlich an jenem Tag etwas kränklich, wollte den Abend aber auch nicht absagen. Und der Abend war auch ganz wunderbar. Nur ihre Gesichtsfarbe wurde irgendwann komisch. Mitten im Gespräch sagte sie dann, ich glaub, mir ist schlecht.

Der nächste Satz lautete dann, ich muss mich übergeben. Da klingeln natürlich alle Alarmglocken und der Puls geht hoch, also schnell raus aus dem Bewirtungsraum, hinein in eine hintere Kammer, irgendwo einen Eimer hergeholt. Und der dritte Satz lautete schließlich, Herr Hitschler, ich wäre jetzt gerne allein…

Wir brechen heute immer noch in schallendes Gelächter aus in Gedenken an jenen Abend, er leuchtet noch mit seiner ganzen Kraft. Die Brisanz dieser Situation wurde mir persönlich auch erst viele Jahre später bewusst. Seitdem gehen wir aber jedes Jahr zum Martins Gans Essen in den Hof meiner Eltern. Ich hab nicht viele Rituale in meinen Leben, aber das ist eines davon und ich mag es sehr.

4. Dezember 2018

8. November 2014

Ich mag die Region hier sehr. Trotzdem hab ich manchmal das Bedürfnis meine Sachen zu packen und wegzugehen. Wohin, das ist eigentlich egal. Jeden Tag verlasse ich meine Wohnung und beinah alle Straßen, Kreuzungen und Häuser wecken Erinnerungen, gute und schlechte. Überall lauern Geschichten, die schon lange zurück liegen, und fordern ihre Gegenwärtigkeit ein. Ich kann sie nicht abschütteln. Jeder Gedanke belegt innere Kanäle, was mich irgendwie unfrei macht. Ich vermisse unbefleckte Räume, bereit zum verschandeln.

4. Dezember 2018

5. November 2014

Folgende Situation durfte ich heute im Nahfeld beobachten.

Mann: Ein Brot bitte.
Bäcker: Geschnitten?
Mann guckt Frau an.
Frau zu Mann: Geschnitten.
Mann zu Bäcker: Geschnitten!

Das habe ich natürlich gleich vertwittert. Ein solches Sahnestück bekommt man schließlich nicht jeden Tag zugespielt.

4. Dezember 2018

3. November 2014

Bei mir ist aber auch echt immer alles verkehrt herum. Es wird langsam Winter, die Tage werden kürzer und das Tageslicht wird dunkler. Meine Wohnung wird dagegen heller.

Vor meiner Wohnung steht ein Baum. Ein sehr großer Baum sogar. Mit viel Laub dran. Ganz wunderbar! Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich nur Grün und sonst nichts (mitten in der Stadt). Im Umkehrschluss kann mir niemand reinschauen, obwohl wir hier sehr eng aneinander leben. Sogar Liebe machen ist bei offenem Fenster möglich. Wenn zufällig Nacht und Regen „zusammen kommen“, einschlafen mit dem beständigen Geräusch von Regentropfen auf Blätter, unbezahlbar!

Der Baum macht die Wohnung am Tag aber recht schattig, weil die Blätter so viel Licht wegnehmen. Jetzt im Herbst, färben sich die Blätter golden, fallen langsam ab und meine Wohnung wird jeden Tag ein bisschen heller.

4. Dezember 2018

2. November 2014

Das Meeting war für neun Uhr angesetzt. Mit Ausnahme meines Kollegen Tobias waren schon alle Teilnehmer anwesend. Ungefähr 5 Minuten nach 9 haben wir dann ohne Tobias angefangen.

Tobias war nur etwa 50 Meter Luftlinie entfernt, stand vor dem Firmeneingang und stellte fest, dass er seinen Mitarbeiterausweis vergessen hatte. Dummerweise hat man die Zugangskontrolle an diesen Eingang schon vor zwei Jahren automatisiert und deswegen gab es auch keinen Pförtner. Tobias klingelte an der zentralen Rufanlage und es meldete sich der Sicherheitsdienst. Ob man ihn reinlassen könne, Ausweis vergessen und so (ich fand das schon etwas gutgläubig). Nein, das geht leider nicht. Ohne Ausweis darf niemand auf das Gelände. Er muss sich leider am Haupteingang (der noch nicht automatisiert wurde) einen Tagesausweis anfertigen lassen.

Man kann die Strecke zum nächsten Eingang zwar auch zu Fuß laufen, ist aber schon ein gutes Stück. Also ging Tobias zurück auf den Parkplatz, stieg ins Auto, fuhr los, passierte 3 Kreuzungen, dort ins Parkhaus und über den Fußweg zum Haupteingang (der noch nicht automatisiert wurde). Dass ein Mitarbeiter den Ausweis vergisst, das passiert täglich. Der Tagesausweis ist also recht schnell gedruckt und ausgestellt. Tobias geht zurück ins Parkhaus, steigt ins Auto ein, fährt los, passiert 3 Kreuzungen, parkt, läuft zu Fuß an den Eingang, hält den Tagesausweis an den Scanner und nichts passiert.

Wenn Tobias mich gefragt hätte, ich hätte ihm das gleich sagen können. Denn der Tagesausweis besteht letztendlich nur aus schöner Pappe. Auf dieser schönen Pappe steht der Name des Inhabers und das war’s. Die echten Mitarbeiterausweise sind dagegen richtige SmartCards mit integrierter RFID-Technologie. Nur mit denen kann man Türen öffnen.

Also ruft Tobias wieder über die zentrale Rufanlage beim Sicherheitsdienst an. Ob man ihn reinlassen könne, hier der Tagesausweis (zeigt Tagesausweis in das Objektiv der Überwachungskamera). Antwort: Nein. Die Echtheit könne so nicht überprüft werden. Er müsse den Haupteingang rein (der noch nicht automatisiert wurde). An dieser Stelle war Tobias natürlich mental stark im Anschlag. Ich persönlich kann das zwar verstehen, muss mich aber andererseits auch wieder von seinen getroffenen inneren Annahmen distanzieren (denn so einfach funktioniert diese Welt schon lange nicht mehr).

Nun wieder zurück auf den Parkplatz, ins Auto einsteigen, losfahren, 3 Kreuzungen passieren, dort ins Parkhaus und zu Fuß an den Haupteingang (der noch nicht automatisiert wurde) laufen. Auf dem Firmengelände angekommen, dann die ganze Strecke ausschließlich zu Fuß wieder zurücklaufen. Als Tobias dann endlich eintraf, war das Meeting leider schon vorbei.

Tobias findet diese Geschichte bis heute nicht lustig. Ich dagegen finde die Geschichte immer wieder zum totlachen.

4. Dezember 2018

1. November 2014

Meine Schwester hat in ihrer Beziehung die Hosen an. Ihrem Freund gefällt das natürlich gar nicht und rebelliert dauernd dagegen an. Dieser Protest bringt selbstverständlich gar nichts, am Ende setzt sich meine Schwester durch und ihr Freund fügt sich in sein Schicksal ein.

„Marco, man darf sich nicht gleich fügen, sondern man muss sich wehren“, sagt er manchmal zu mir, „man muss sich einfach wehren“. Ich antworte dann, „Und was bringt dir das jetzt? Am Ende hängt doch nur der Haussegen schief! Frauen haben immer Recht, das musst du einfach akzeptieren!“

4. Dezember 2018

31. Oktober 2014

Maria macht mir jeden Morgen einen Kaffee.

Wenn meine Straßenbahn am Hauptbahnhof ankommt, steige ich aus und springe kurz in den Hauptbahnhof rein, um mir einen Latte Macchiato to Go zu holen. Springen ist gut, meistens bin ich ganz schön verschlafen und langsam unterwegs, obwohl es meistens schon sehr spät ist.

Theoretisch ist das unsinnig, weil ich Kaffee auch auf der Arbeit bekomme und der Restweg nur noch ein paar Minuten beträgt. Aber irgendwie hat sich dieses Ritual in der Vergangenheit irgendwann mal eingebürgert. Warum, das weiß ich nicht mehr.

Im Coffee Shop ist immer total interessantes Publikum. Ich schaue mir gerne unauffällig die Leute an, während ich in der Schlange warte. Außerdem ist da Maria. Maria strahlt immer und lacht, jeden Morgen. Lässt sich auch von meiner oft schlechten Laune nicht beeindrucken.

Wir wechseln meist nur ein paar Worte. Sie achtet immer darauf, dass, wenn andere Mitarbeiter mich bedienen, sie mir einen Rabatt einräumen, weil ich selbst den Rabatt nie einfordere. Wenn sie etwas belastet oder sie unter Stress geht, was nicht oft vorkommt, ist das richtig augenfällig. Unausgesprochen wünsche ich ihr dann immer alles Gute in Gedanken.

Jetzt hat Maria erst einmal drei Wochen Urlaub. Sie macht eine Reise und war heute schon voller Vorfreude. Ich freu mich mit, auch wenn mir dafür die nächsten Wochen jemand anderes den Kaffee machen wird.

4. Dezember 2018

30. Oktober 2014

Beruflich arbeite ich als IT Project Manager (der nach Zimt duftet). Im Projekt Management gibt es nun das Konzept des Quality Gates. Das bedeutet, wenn ein Projekt einen wichtigen Meilenstein erreicht und in eine neue Phase eintritt, muss es einen Checkpoint durchlaufen.

Das ist quasi wie ein kleiner Audit, in dem das Projekt geprüft wird. Fällt das Projekt durch diese Prüfung, darf man nicht über die Brücke in die nächste Phase gehen. Es ist eine präventive Maßnahme, um Probleme in der kommenden Phase zu vermeiden. Soweit die Theorie und ich finde das eigentlich ganz gut.

Strenggenommen wird aber eigentlich gar nicht das Projekt geprüft, sondern der verantwortliche Project Manager. Sind die Ampel rot, gibt es Schimpfe und nervige Aufmerksamkeit. Das Ganze ist natürlich auch ziemlich aufwändig. Da kann man schon einige Project Quality Manager damit beschäftigen, was ja auch wieder doof ist (weil kostet Geld). Deswegen hat man nun bei uns im Haus den Prozess auf Self-Assessment umgestellt. Das bedeutet, der Project Manager prüft sein Projekt selbst. Für den Project Manager ist dies natürlich äußerst praktisch!

Meine Projekte werden aber weiterhin alle zentral vom Project Quality Management geprüft. Nicht, weil sie so schlecht laufen würden und deswegen besondere Aufmerksamkeit bedürfen. Nein, einfach nur darum, weil ich mich mit der Project Quality Managerin total gut verstehe. Eine Stunde zusammen rumalbern, das macht einfach Spaß, darauf will man ungern verzichten.

4. Dezember 2018

29. Oktober 2014

Theoretisch mache ich alles gern. Ich mache gerne Haushalt (Ordnung ist das halbe Leben), ich liebe es zu putzen (weil es sich danach einfach gut anfühlt) und ich hänge gerne Wäsche auf (total entspannend). Ich koche gerne (sich selbst etwas gutes tun), ich tue gerne Sachen erledigen (das macht frei) und aufräumen (ich liebe aufräumen). Eigentlich gibt es nur ganz wenige Dinge, die ich nicht so gerne mache.

Praktisch ist das alles anders, oft nur Belastung und Programm. Weil eine einzige Sache durch ihre Abwesenheit alles kaputt macht. Und das ist die Zeit. Weil ein Tag nur 24 Stunden hat und sich alle Dinge so sehr konzentrieren. Weil wir irgendwie zu doof sind, die richtige Menge in den Tag reinzupacken. Also genau die Menge, die wir verkraften.

Deswegen muss man andauernd ordentlich Tempo machen und sollte dabei nicht einschlafen. Man ist nie bei einer Sache, sondern gedanklich immer schon an der Nächsten. Am Ende entsteht Stress im Endlosband und all die tollen Sachen machen gar keinen Spaß mehr.

4. Dezember 2018