Wir fliegen durch den Weltraum

Vor 50 Jahren gab es noch kein Internet, es gab noch keine Notebooks und Smartphones gab’s schon dreimal nicht. Kann man sich heute natürlich gar nicht mehr vorstellen. Trotzdem ist der erste Mensch am 20. Juni 1969 im Rahmen des Apollo 11 Programms auf dem Mond gelandet. Hammer, oder? Aber schon nach drei Jahren wurde uns der Mond und seine grauen Krater langweilig und seitdem hat der Mond seine Ruhe. Dafür fliegen wir heute zum Mars. Im Moment dreht dort der kleine süße Curiosity seine Runden. Aufgesetzt hat er am 6. August 2012 und sammelt seitdem fleißig Daten. Und gerade erst vor Kurzem am 12. November 2014 ist die Raumsonde Philae zwischen Mars und Jupiter auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko gelandet. Leider hat Philae bei der Landung einen kleinen Hopser gemacht, rutschte in eine schattige Felsspalte und sitzt dort nun vollfunktionsfähig, aber ohne Strom. Doof, kann aber passieren. Ich finde das alles ganz schön beachtlich. Und irgendwie auch lustig. Da fliegen wir munter im Weltraum rum, können aber zeitgleich die einfachsten Sachverhalte im alltäglichen Leben nicht richtig erklären (also wissenschaftlich beweisen). Das Studenten Syndrom, zum Beispiel.

Studenten Syndrom

Das Studenten Syndrom ist eigentlich nur ein anderes Wort für Aufschieberitis. Der Mensch neigt demnach irgendwie dazu, seine Themen so spät wie möglich in Angriff zu nehmen. Da haste drei Monate Zeit und in der 12. Woche fängste an (freitags). Dieses Phänomen braucht man auch gar nicht weiter zu erklären, ist sofort einleuchtend. Weil jeder denkt: Das kommt mir aber bekannt vor. Das Studenten Syndrom ist übrigens kein Begriff aus dem Hochschulbetrieb, sondern kommt aus dem Projekt Management.

Morgen ist ja auch noch ein Tag!

Letztendlich wird durch dieses Phänomen auch sofort einleuchtend, warum so wenige Projekte on-time enden. Da gibt sich der Projekt Manager total viel Mühe und plant in allen Arbeitspaketen ausgiebig Puffer ein, damit unvorhergesehene Störungen keinen Auswirkungen auf den Zeitplan haben, und am Ende alles für die Katz. Weil jeder Projektmitarbeiter die vorhandenen Puffer primär zur Prokastination benutzt und seine Aufgaben erst am spätestmöglichen Zeitpunkt in Angriff nimmt. Und NATÜRLICH kommt es dann zu Störungen und in der Konsequenz kann das Arbeitspaket nicht pünktlich abgeschlossen werden (weil die Puffer vorab aufgebraucht wurden). Folgerichtig läuft das Projekt natürlich out of schedule.

Deswegen hätte man dieses Phänomen eigentlich richtigerweise Projekt-Puffer-Syndrom nennen müssen. Aber der Studenten-Syndrom-Erfinder Eliyahu M. Goldratt war halt ziemlich schlau und hat den schwarzen Peter einfach an die Studenten weitergegeben.

Pareto-Prinzip

Eine viel interessantere Kiste ist das Pareto-Prinzip. Es wird auch gerne 80-zu-20-Regel genannt und beschreibt ein statistisches Phänomen. Es besagt, dass man 80 % einer Aufgabe mit 20 % der Zeit erledigt. Klingt erst mal gut. Problem ist nur, dass die verbleibenden 20 % des Vorhabens dann die restlichen 80 % der Zeit benötigen. Kann ich jedenfalls vollkommen bestätigen. Was hätte ich in meinem Leben nicht schon alles erreichen können, wenn ich nicht so viel Zeit mit den letzten 20 % verplempert hätte (muss halt immer alles perfekt sein).

Graph: Das Pareto Prinzip

Andererseits bin ich aber auch wieder total dankbar, dass dieses Phänomen überhaupt existiert. Beim Putzen ist der Pareto-Sachverhalt nämlich total praktisch. Schnelle Wischi-Wischi und Saugi-saugi und mit nur 20 % Einsatz hat man 80 % Ergebnis. TOLL! Die ausstehenden 20 % Ergebnis bemerkt sowieso kein Mensch. Dieser Staub liegt gut versteckt hinter den Schränken, unter dem Bett und zwischen den Ritzen.

Parkinson’s Law

Um die Geheimnissen der Arbeit drehen sich auch die Parkinsonschen Gesetze, eine Sammlung von soziologischen Lehrsätzen. Cyril Northcote Parkinson hat nämlich festgestellt, dass sich die Arbeit genau in dem Maß ausdehnt, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. Da musste ich erst mal drüber nachdenken! Mit vorgelagerte Prokastination hat das nämlich nichts zu tun (die muss man sich noch hinzudenken), sondern es dreht sich um die Verrichtung der Arbeit an sich.

Und ja, als ich mit dem Denken fertig war, kam es mir irgendwie einleuchtend vor. Ich kann nämlich beim Duschen das gleiche hygienische Ergebnis in 5 oder in 20 Minuten erreichen. Das Resultat macht auch qualitativ echt keinen Unterschied (hinterher bin ich sauber).

Skizze: Dusche

Von Parkinson gibt es übrigens noch viele weitere Lehrsätze, die alle im Rahmen der Erforschung von Wirtschaft und Verwaltung entstanden. Ich hab mich hier aber auf das wichtigste Gesetz beschränkt, sonst denkt jeder, was geht’n da in Wirtschaft und Verwaltung ab? Arbeiten die überhaupt etwas?

Gesetz der Trivialität

Leider hat aber das Gesetz der Trivialität seinen Ursprung auch in der Verwaltung. In der Verwaltung scheint es also irgendwie ein Problemgelage zu geben. Sei’s drum, ich mag triviale Dinge. Ich finde, es muss nicht immer kompliziert sein. Komplexität macht einfach keinen Spaß. Da stehste da und kapierst im ersten Moment gar nichts. Und immer wenn man nichts kapiert, fühlt sich das im Bauch gar nicht schön an. Und vielleicht hab ich jetzt beim Schreiben auch ganz zufällig und nebenbei die kausale Ursache für das Gesetz der Trivialität gefunden (hoho)! Das Phänomen besteht nämlich darin, dass sich eine Entscheidungsfindung zeitlich entgegensetzt zur Wichtigkeit der Frage verhält. Hä?

Graph: Gesetz der Trivialität

Keine Sorge, ist ganz einfach. Grundlegende und wichtige Entscheidungen werden in der Regel kurz und schmerzlos getroffen. Aber wenn die Sache (für den Weltfrieden) total irrelevant ist, dann wird dreimal die Milchstraße hoch und runter diskutiert, bevor man die Entscheidung trifft. Sofern es überhaupt zu einer Entscheidung kommt und die Diskussion nicht ergebnisoffen auf das nächste Mal vertagt wird. Ich hab keine Kinder, aber genauso stelle ich mir immer Elternabende vor.

Zurück zu meinem wissenschaftlichen Durchbruch. Wenn man nämlich die vorliegende Komplexität nicht versteht, gibt’s auch nichts zu diskutieren (was soll man da auch sagen). Im Umkehrschluss legt man sich bei den einfachen Fragen dann natürlich gleich doppelt ins Zeug (soll ja nicht auffallen, dass man zuvor keine Ahnung hatte).

Gesetz der Verschwendung

Ein ebensolcher akademischer Durchbruch ist das Gesetz der Verschwendung. Verschwendung ist ein kräftiges Wort. Die Verschwendung spricht unmittelbar und direkt ins Gewissen hinein und unsere eigene moralische Instanz ist sofort hellwach. Sprachwissenschaftlich handelt es sich bei dem Wort Verschwendung allerdings nur um die Substantivierung des Modalverbs „verschwinden lassen“ (nur mal so nebenbei). Und etwas verschwinden lassen, ist strenggenommen etwas ganz anderes.

Formel: Gesetz der Verschwendung

Jedenfalls, das Gesetz der Verschwendung besagt, dass Ausgaben stets bis zur Einkommensgrenze wachsen. Jo! Wenn ich nur hundert Euro habe, kann ich auch nur hundert Euro ausgeben. So langsam habe ich wirklich den Eindruck an mir ist ein großer Forscher verloren gegangen. Erfunden hat dieses Gesetz wieder der liebe Parkinson (der hatte scheinbar Spaß daran) und deswegen nennt man das Gesetz der Verschwendung auch gerne das zweite Parkinsonsche Gesetz. Und wenn man jetzt noch an die vielen, staatlichen Forschungsgelder denkt, die zu dieser Erfindung nötig waren, dann hat dieses Gesetz seinen Namen wirklich verdient.

Paradox of Choice

Wo wir gerade beim Geldausgeben sind, mitunter kann dabei eine seltsame Situation entstehen. Bevor man Geld nämlich ausgeben kann, muss man sich erst entscheiden, wofür man das Geld überhaupt ausgibt (also wir müssen eine Auswahl treffen). Und hier liegt ein weiteres Problem. Die Auswahl überfordert uns in vielen Fällen. Und am Ende kaufen wir gar nichts. Ich bin zwar keine Frau, aber mir ist das auch bekannt (war das jetzt eigentlich schon wieder sexistisch?). Man nennt diesen Sachverhalt „The Paradox of Choice“ und er wurde von dem amerikanischen Psychologen Barry Schwartz in seinem gleichnamigen Buch begründet.

Ablaufdiagramm: Einfache Entscheidung

Letztens hab ich ja wieder Speiseöl zum Kochen im Supermarkt kaufen wollen. Und dann steht man so vor dem Regal und im Regal steht Olivenöl, Sonnenblumenöl, Traubenkernöl, Walnussöl, Rapsöl, Sojaöl, Kokosöl, Sesamöl, Distelöl, Leinöl, Plamöl, Weizenkeimöl, Kürbiskernöl. Das waren jetzt erst einmal nur die reinen Sorten. Weiter geht’s mit den Varianten Bio oder Nicht-Bio, nativ oder extra, kalt- oder warmgepresst und den verschiedenen Marken. Mach schon mal grob 520 Möglichkeiten (bei 5 Marken). Irgendwie kommt es dann im Kopf zu einer Prozessverklemmung. Und bevor man das falsche kauft, kauft man lieber gar nichts.

Gesetz der Anziehung

Etwas mehr Diskurs verursacht das Gesetz der Anziehung. Man nennt es auch Law of Attraction oder Resonanzgesetz. Andere wiederum nennen es schlicht und einfach, das Universum. Dahinter verbirgt sich der Sachverhalt, dass Gleiches Gleiches anzieht. Im ersten Moment denkt man an den Menschen, der sich selbst verdient. Im zweiten Moment denkt man daran, dass man in sein Leben hinein zieht, was man denkt. Und erst im dritten Moment wird klar, dass es viel weiter geht.

Skizze: Magnet

Denn Reiche werden immer reicher. Arme werden immer ärmer. Und die Aufmerksamkeit geht dahin, wo die Aufmerksamkeit eh schon ist. Das letztgenannte lässt sich auf Twitter bei großen Followerzahlen durch das Konzept von Fav und Retweet ganz wunderbar beobachten.

Das Gesetz der Anziehung kommt nicht aus der Wissenschaft, sondern aus der Selbsthilfe- und Lebensberatungsliteratur. Seinen Ursprung hat es in der amerikanischen Neugeist-Bewegung. Fürsprecher betrachten die Resonanz als universales Prinzip der gesamten Wirklichkeit. Gegner kritisieren die logische Konsequenz, die dem Opfer die eigene Schuld am Opferdasein gibt. Und für die meisten Menschen ist das eigentlich alles nur Hokuspokus.

Murphy’s Law

Tja, und wenn man jetzt all die Gesetzte und Lehrsätze zusammen addiert, und sich noch ein paar Regelmäßigkeiten hinzu denkt, die wir aber erst noch entdecken und erfinden müssen (das Ende der Weisheit haben wir bestimmt noch nicht erreicht), dann ist die Konsequenz dessen ja eigentlich ganz klar, oder? Genau, alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen – Murphys Law. Mehr muss man über das Leben eigentlich auch nicht wissen.

Edward A. Murphy war übrigens ein Ingenieur der Air-Force und hat diese Annahme im Rahmen eines Raketenschlitten-Experiments herausgefunden. Raketenschlitten ist kein Autokorrekturfehler, sondern genau das, was das Wort verspricht. Ein Schlitten mit einer Rakete drunter. Ich finde es voll interessant, womit sich die Air Force (immerhin Luftstreitmacht der Vereinigten Staaten von Amerika) alles so beschäftigt.

Skizze: Schlitten ohne Rakete

Die Welt erklären

Ist es nicht toll, wie wunderschön die Welt nachvollziehbar zu erklären ist, durch soziale Phänomene und behavioristische Annahmen, welche allesamt wissenschaftlich überhaupt nicht zu erklären sind? Tja, denkt mal drüber nach! ;-)

Über den Autor
Marco Hitschler wohnt in Mannheim und schreibt auf diesem Blog beliebige Texte in das Internet hinein. Sein Handwerk ist die Informatik und beruflich arbeitet er im Projektmanagement. Wenn man einmal mit dem Bloggen angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören. Furchtbar! Infolgedessen wird auf diesem Blog ganz kunterbunt in verschiedenen Formaten publiziert.
3 Kommentare
  1. Heike 14. April 2015

    Hahahaha – jetzt weiß ich voll Bescheid :-)
    Dankeschön!

  2. 2015 – in Euren Worten | juna im netz 27. Dezember 2015

    […] ist April, und wir fliegen erneut. Dieses Mal durch den Weltraum mit Marco. Eigentlich aber fliegen wir durch den Raum menschlicher Annahmen und wissenschaftlicher Gesetze. […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert