Unglücklich (bleiben)

Das Leben haben wir uns nicht ausgesucht. Wir wurden nicht gefragt und kraft unserer Geburt waren wir irgendwann einfach da. Unser soziales Umfeld konnten wir nicht beeinflussen und auch beim genetischen Code hatten wir keine Wahl. Trotzdem müssen wir die Konsequenzen tragen und irgendwie damit zurechtkommen. Richtig fair ist das eigentlich nicht. Immerhin sagt man, das Leben wäre ein Geschenk. Aber in Wirklichkeit gehen die Meinungen bei dieser Frage weit auseinander. So oder so, fortan ist man beschäftigt, mit der Suche nach dem eigenen Glück. Angeblich ist das die Mission, welche es zu bestehen gilt. Zumindest verkünden diese Botschaft alle Kanäle. Das Leben ist kostbar. Die Uhr läuft und verlorene Tage kommen nicht zurück. Genieße die Zeit, die dir verleibt. Dieser Aufruf hämmert rund um die Uhr durch alle Medien auf unsere Ohren. Es ist nicht schwer. Just do it. Damit auch nichts schiefgeht, stehen uns tausende von Ratgebern mit den unterschiedlichsten Konzepten und den trotzdem immer gleichen Ansätzen zur Seite. Man fragt sich, warum ist das eigentlich so kompliziert. Das ist doch irgendwie komisch. Im Vergleich dazu ist unglücklich werden spielend leicht. Es sind nur ganz wenige Dinge zu beachten.

Flüchte vor deiner Angst

Jeder Mensch hat Angst. Wir haben die Angst alle in uns. Es ist nicht nur Angst, es sind ganz viele Ängste. Die Ängste sind klein und die Ängste sind groß. Wir haben Angst zu versagen und wir haben Angst etwas zu verlieren. Wir haben Angst vor schlechten Erinnerungen und wir haben Angst vor der Zukunft. Genauso viel Angst haben wir vor Veränderung. Wir haben Angst vor gewissen Situationen und wir haben Angst vor den bestimmen Gefühlen. Die Angst geht unglaublich tief in uns hinein. Sie begnügt sich nicht mit der Seele, sondern füllt unser ganzes Unterbewusstsein aus. Manche Stimmen sagen, alles, was wir im Leben tun, lässt sich auf zwei Gefühle zurückführen, Liebe und Angst. Es geht also um eine ungeheure Macht. Wir können uns dieser Macht bedienen und die Angst ernähren. Man darf sich ihr nicht stellen, man darf sie nicht aushalten, man darf auf keinen Fall auf die Angst zugehen (das wäre der größte Fehler). Man muss flüchten, man muss rennen, man muss der Angst aus dem Weg gehen. Denn dadurch wird sie größer. Die Angst wächst und wächst und wächst. Mit der Flucht geben wir ihr Nahrung. Sie gewinnt an Größe, Kraft und Macht. Und irgendwann steuern wir nicht mehr selbst unser Leben, sondern die Angst bestimmt, was wir tun. Schließlich sind wir permanent damit beschäftigt, der Angst aus dem Weg zu gehen. Wir sind nicht mehr frei. Das Leben wird klein, das Leben wird eng, das Leben findet an anderer Stelle statt.

Ernähre den Schmerz

Am Anfang ist alles leicht. Wir tragen noch keine Last und leben ganz unbekümmert. Aber mit der Zeit kommen Niederlagen, Verluste und Traumata. So ist das Leben nun mal, es ist nicht zu vermeiden. Fallen tut weh, mal mehr, mal weniger. Wir stehen zwar immer wieder auf, doch meistens verbleiben Narben. Diese Wunden begleiten uns nun fortan das ganze Leben. Und mit den Jahren sammeln sich diese Schmerzpunkte an, ein Meer von Abgründen entsteht. Das ist wahrlich schwer auszuhalten. Deswegen haben wir mächtige Instrumente, um die innere Heilung zu fördern. Akzeptanz, Vergebung und Neubeginn. Mit der Zeit entwickelt sich unsere Lebenskompetenz und wir lernen mit dem Durcheinander umzugehen. Eine wichtige Rolle spielen die Erinnerungen. Sie verblassen, sie verlieren an Leuchtkraft, sie werden schwach. Die Zeit heilt alle Wunden. Aber man kann sich auch dagegen wehren und das ist gar nicht so schwer. Der Schmerz braucht einfach nur fortlaufend Energie. Energie aus deinen Gedanken und Energie aus deinem Bewusstsein. Und damit bleibt er lebendig und stark. Und du selbst bleibst schwach. Eine wunderbare Zielharmonie.

Denke fortlaufend negativ

Jeder Sachverhalt hat zwei Seiten. Mindestens. Es kommt auf die Perspektive an. Und das Schöne ist, eine Perspektive ist nicht festgelegt, sondern man kann die Perspektive beliebig verändern. Deswegen erhalten wir oft den Ratschlag, man müsse auch die guten Seiten sehen. Noch mitten in der Enttäuschung empfinden wir dies als schwachen Trost. Umgekehrt ist es auch viel besser und einfacher. Jeden Sachverhalt grundsätzlich negativ zu betrachten. Schimpfen. Kritisieren. Feindselige Blicke streuen. Misstrauisch sein. Immer vom Schlimmsten ausgehen. Diese Methode ist wahrhaft magisch. Denn was man dem Universum gibt, gibt das Universum auch zurück. Wir sind alle miteinander verbunden. Fortlaufendes Drama entsteht. Als ob wir das Leben nur durch unsere eigenen Gedanken bestimmen könnten. Wir können unsere Gedanken frei formulieren. Und unsere Gedanken haben Kraft. Diese Kraft können wir dazu verwenden, alles zu negieren. Es ist eine Self-fulfilling-Prophecy. Wir erhalten das, was wir denken. Ein weiterer Nebeneffekt ist die permanente Durchflutung unserer Seele mit negativer Energie, welche uns permanent belastet und irgendwann depressiv macht. Glück ist ein großartiges Gefühl, aber gegen diese Schutzmauer kommt es nicht an.

Richte dich selbst

Wer bin ich? Diese Frage ist nicht einfach. Bin ich mein Geld? Bin ich meine Arbeit? Bin ich meine Familie? Bin ich meine Frau? Die Antwort ist nicht einfach. Tatsächlich ist die Frage noch wesentlich komplizierter. Was ist überhaupt das Ich? Ist es das Denken? Oder ist es mehr das Fühlen? Einen schlüssigen Ansatz gibt das Strukturmodell der Psyche von Sigmund Freud. Das Ich besteht aus Ich, Ich und Ich. So einfach ist das. Es gibt in uns allen eine moralische Instanz. Sie bestimmt unser Gewissen, sie bestimmt über Richtig und Falsch. Sie bestimmt darüber, ob wir uns gut finden oder nicht. Ganz anders sind dagegen unsere Seele, unser Unterbewusstsein und unser Körper geprägt. Weltliche Fragen stoßen hier auf Unverständnis. Bedürfnis und Gefühl geben den Ton an. In diesem Spannungsfeld zwischen Moral und Gefühl steht noch ein weiteres Ich und versucht den Konflikt der Belange täglich zu lösen und in der operative Wirklichkeit umzusetzen. Manchmal klappt das gut, manchmal klappt das schlecht. Wir können ein Lied davon singen. Persönlichkeiten werden für sich selbst und auch für andere zum Problem, wenn es nicht mehr gelingt, einen Kompromiss auszuhandeln. Ohne uns selbst zu verleugnen, können wir das Über-Ich zum König machen und ihm alle Macht geben. Denn eine Sache steht schon fest, wir werden den vielfältigen Ansprüchen an uns selbst niemals gerecht. All den Forderungen, all den Normen, all den Werten. Das Über-Ich wird über uns richten und ständig unsere eigene Unfähigkeit beurkunden. Das Resultat ist ein permanentes Scheitern. Wir scheitern am eigenen Anspruch. Wenn man am eigenen Anspruch scheitert, dann scheitert man an sich selbst. In dieser Kombination sind wir vor jeglicher Lebensfreude ziemlich gut bewahrt.

Vermeide Distanz

Es gibt schon viele tolle Sachen im Leben. Arbeit, die man gerne macht. Gruppen, in denen man sich wohl fühlt. Menschen, die man liebt. Diesen Dingen räumt man ganz automatisch einen besonderen Stellenwert ein. Das ist völlig normal und das ist auch richtig so. Aber nichts im Leben bleibt vom Durcheinander verschont. Die Dinge ändern sich. Man wird enttäuscht. Man wird abgelehnt. Man wird verletzt. Wenn solche Situationen eintreten, darf man nicht stehen bleiben, sondern muss den inneren Abstand neu justieren und etwas auf Distanz gehen. Wir brauchen diese Distanz um eine emotionale Neubewertung durchzuführen. Sobald man auf Abstand geht, vergrößert sich das Blickfeld. Es entstehen neue Perspektiven. Der beklemmende Sachverhalt erscheint in einem anderen Licht. Das Sichtfeld wird erweitert, die Aufmerksamkeit verteilt sich und andere Sachen erwischen den mentalen Fokus. Die innere Verbissenheit hat keine Chance auf Manifestierung. Und wir lernen, es gibt noch andere Dinge im Leben. All das wird nur dadurch bewirkt, in dem man ein paar Schritte zurückgeht. Diesem Mechanismus kann man nun ganz einfach einen Riegel vorschieben, wenn man stehen bleibt. Nah dran bleiben und nicht auf Distanz gehen. Den engen Blickwinkel bewahren und die Sache ernst nehmen. Konzentriere dich fortlaufend auf den Schmerzpunkt und erweise ihm den gebürtigen Respekt. Das Leben ist schließlich kein Ponyhof.

Suche die Einsamkeit

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Das sagt ein altes Sprichwort und es ist tatsächlich wahr. Wir lernen dadurch, mit einer Problematik nicht allein zu sein. Und das ist sehr wichtig. Sonst entstehen Gefühle von Eigenschuld und Niederwertigkeit, was zusätzliche Kräfte zehrt. Mitmenschen sind immer ein Geschenk. Das Geheimnis liegt im Teilen. Alles, was man teilen kann, wird multipliziert. Gute Gefühle potenzieren sich, schlechte Gefühle werden abgeschwächt. Menschen bringen Komplikationen. Wir müssen uns ihnen zuwenden und können nicht mehr ausschließlich unser eigenes Ding machen. Menschen bringen Unruhe. Sie sind unbequem. Sie locken uns aus der Reserve. Sie bringen uns zum Lachen. Unsere inneren Prozesse werden also fortlaufend gestört und beeinflusst. Wenn man das nicht möchte, muss man die Einsamkeit suchen. Dort ist man ganz für sich allein. Mit seinen Gedanken. Mit seinen Gefühlen. Alles ist still. Und in dieser Stille richtet sich das Unglück ein. Wut und Frustration können in Ruhe ihre Kreise ziehen. Nicht umsonst sagt man, Einsamkeit ist einer der schlimmsten Dinge, die es gibt. In Wirklichkeit muss man dazu noch nicht einmal alleine sein. Denn genauso einsam kann man auch in der falschen Gruppe sein.

Halte alles fest

Alles ist permanent im Fluss. Das Leben bewegt sich und nichts bleibt gleich. Dieser permanente Wandel ist gemeinhin nicht sehr beliebt. Denn Veränderungen sind unbequem und wir müssen uns ständig auf die einhergehenden Konsequenzen einstellen. Es besteht immer die Gefahr, dasjenige, was man hat, zu verlieren. Dabei muss man sich eigentlich keine Sorgen machen, denn die Veränderung ist ein trojanisches Pferd. Selten kommt der Wandel sexy daher. Aber das ist nur Tarnung, denn die Veränderung hat Chancen und Neubeginn im Gepäck. Es dauert allerdings seine Zeit bis diese Samen ihre Früchte tragen. Die Botschaft mag zwar richtig sein, aber sie wurde schon zu oft verkündet und genauso oft missbraucht. Außerdem kann man sich gegen Veränderungen auch wehren. Zugegeben, es kostet viel Kraft, aber man kann alle Dinge in seinem Leben auch festhalten. Die Wohnung festhalten, den Arbeitsplatz festhalten, den Partner festhalten. Halte alles fest und lass niemals los. Gehe noch ein Level weiter und lege alles an Ketten. Nimm dem Leben jede Chance auf Freiraum und Entwicklung. Diese Bemühungen werden mehrfach belohnt. Nichts wächst, nichts blüht, Stillstand überall. So stirbt die Liebe, so stirbt die Freude und das bunte Leben verkümmert.

Verneine dich

Schlafende Talente, inaktive Potentiale, verlorenes Lebensglück. Das sind die Folgen, wenn Menschen nicht an der richtigen Stelle sind. Es ist nicht nur ein persönliches Problem, sondern wurde mittlerweile auch für die Gesellschaft als ein solches erkannt. Weiter sind wir leider noch nicht gekommen, es ist einfach schwierig. Wir haben unsere Aufgaben, wir haben unsere Rollen, wir haben unsere Pflichten. Den ganzen Tag stehen wir in der Verantwortung und sehen uns mit den Erwartungen der Anderen konfrontiert. Dabei geben wir auch immer unser Bestes. Wir denken permanent an unsere Mitmenschen, aber niemals an uns selbst. Dazu haben wir auch gar keine Zeit und Kraft mehr, weil der Tag nur 24 Stunden hat. Die Zeit und die Kraft reichen höchstens noch für Fragen wie, habe ich meine Pflichten erfüllt, habe ich den Erwartungen entsprochen? Die Verantwortung gegenüber anderen nehmen wir ernster als die Verantwortung gegenüber uns selbst. Das bringt uns langfristig ganz automatisch an die falsche Stelle im Leben. Unsere Stärken kommen nicht zur Geltung, das macht uns ganz leicht zum Verlierer. Unsere Bedürfnisse bleiben unbefriedigt, was uns macht traurig. Irgendwann stellt der innere Leuchtturm den Betrieb ein.

Die Konsequenz

Es ist so verführerisch und es ist so einfach. Eins führt zum anderen. Jeder Baustein führt zum nächsten Baustein. Normalerweise ist das Leben von Zielkonflikten geprägt. Das Unglück folgt nach anderen Regeln. Mit der Zeit entsteht ein einzigartiges Labyrinth, aus dem wir so leicht nicht mehr entkommen. Es bilden sich feste Strukturen, es wachsen starke Muster und irgendwann sind wir darin gefangen. Wenn man diesen Punkt erreicht hat, kann man nicht mehr einfach umkehren. Dafür ist es nun zu spät. Der Ausbruch erfordert einen mentalen Neustart, ein permanentes Bemühen und ein ständiges Aufstehen. Aber woher soll diese Energie kommen? Ein Kreuzzug zurück ins Glück ist ohne Gewährleistung und die Ankunft auch erst nach vielen Jahren möglich. Wenn man darauf verzichtet, mutlos und eingeschüchtert stehen bleibt, dann ist die Geschichte geschrieben. Die letzte Lebenslust entweicht. Innerlich sterben wir aus. Und am Ende haben wir unser ganzes Leben weggeworfen.

Über den Autor
Marco Hitschler wohnt in Mannheim und schreibt auf diesem Blog beliebige Texte in das Internet hinein. Sein Handwerk ist die Informatik und beruflich arbeitet er im Projektmanagement. Wenn man einmal mit dem Bloggen angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören. Furchtbar! Infolgedessen wird auf diesem Blog ganz kunterbunt in verschiedenen Formaten publiziert.
4 Kommentare
  1. Heike 26. März 2014

    Du hast Recht. Mit allen deinen Vorschlägen. Leider… Und irgendwie erwischt mich dieser Post genau zu einem Zeitpunkt, wo er passt…

  2. Laura 11. August 2014

    Der philosophische Ansatz hat mir gefallen.

    Unglücklich (bleiben) auch sehr schön bei den ganzen Li-La-Laune-Bären auf der Straße.

    Liebe Grüße, Laura

  3. Björn 28. April 2016

    Sehr geil, ich treibe auch seit Jahren in unruhigen Gewässern und komme einfach nicht auf den richtigen Kurs. Angst vor Veränderung und fehlender Mut halten mich am Mast gefesselt, unfähig das Steuer zu greifen. Ich suche und suche…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert